Gerade ist es uns aufgefallen: Mensch, wir haben schon über ein Jahr lang nichts mehr ins Logbuch geschrieben. Durch Zufall trafen wir gerade Segelfreunde, die wir vor Jahren in Brasilien das letzte Mal gesehen hatten. Sie hatten in unser Logbuch geschaut, wähnten uns aufgrund des letzten Eintrags noch auf Mallorca und waren ganz erstaunt als sie uns hier auf St. Martin antrafen.
Tja, durch Facebook und Co. sind das Logbuch und unsere Homepage ziemlich in den Hintergrund gerutscht. Und so haben wir es versäumt, die Geschehnisse des letzten Jahres für unsere treuen Leser an dieser Stelle in Worte zu fassen. Hier also ein kurzes Update:
Im März letzten Jahres gingen wir mit drei Koffern nach Mallorca, um dort für eine Charterbasis zu arbeiten. Astrid bekam eine Stelle im Büro. Administration, Buchungen, Kundenkontakt und Betreuung der Chartergäste waren unter anderem ihre Aufgaben. Ich wurde als Mechaniker eingestellt (bzw. bekam einen Vertrag als “Autonomo” = freier Mitarbeiter). Die Charterbasis verfügte über rund 20 Boote, bis auf wenige Ausnahmen alles neuere Bavarias aus den letzten Jahren.
Unsere Erlebnisse in Mallorca könnten vermutlich ein ganzes Buch füllen und können deshalb hier auch nur in Kürze widergegeben werden:
Mallorca an sich war sehr schön, ein landschaftlicher Traum, leckeres und günstiges Essen, tolle Kultur, wir hatten eine kleine gemütliche und halbwegs bezahlbare Wohnung, es war aufregend, etwas Neues anzufangen, usw. Nach einer chaotischen, frustrierenden und anstrengenden Eingewöhnungszeit stellten wir aber bald fest, dass wir vermutlich auf Dauer nicht mit unseren Jobs in der Charterbasis glücklich werden würden. Weil wir zum Teil 6-7 Tage in der Woche arbeiten mussten, hatten wir kaum noch Energie, all das Schöne zu geniessen. Freitag und Samstag, zum Charterwechsel, wurde es immer besonders stressig. Sonntags musste ich öfter mal los, um Kleinigkeiten oder grössere Probleme an den Booten zu beheben. Montags war frei, es sei denn, man musste wieder mal los, um Kunden in einem Hafen oder Ankerplatz am anderen Ende der Insel zu helfen. Wir sahen auf diese Weise schon einiges von der Insel, aber eben immer nur, um irgendwo etwas zu reparieren. Den Rest der Woche verbrachten wir damit, die Boote vorzubereiten, die am darauffolgenden Wochenende auf Charter gehen sollten.
Je mehr wir über das Geschäft lernten, umso weniger waren wir von der Seriosität der Firma überzeugt. Der finanzielle Unterbau schien zu fehlen. Mitarbeiter, so wie auch am Ende wir, mussten teilweise monatelang auf ihr Gehalt warten. Auf der anderen Seite wurden neue Boote im Wert von mehreren hunderttausend € angeschafft - auf Pump. Scheint aber generell ein Thema bei Bootsverleihern zu sein.
Kurz und gut, wir zogen die Notbremse und beendeten die Zusammenarbeit, bevor die Probezeit abgelaufen war. Wir dachten darüber nach, ob wir uns andere Jobs auf Mallorca suchen sollten, aber letztendlich fiel unsere Entscheidung dagegen aus. Ein wichtiger Punkt war unter anderem, dass Buena Vista immer noch auf St. Martin war und wir schlecht damit zurecht kamen, dass unser Leben auf diese Weise so geteilt war. Einerseits lebten wir auf Mallorca, andererseits war unser Boot, und viele unserer Freunde auf St. Martin geblieben.
Da kam das Angebot unserer alten Freunde Cheryl und René von Gypsy Blues, ihnen dabei zu helfen, ihr Boot von Hawaii nach St. Martin zu überführen. Wir würden also mit unseren drei Koffern nach Hawaii fliegen, und von dort nach San Francisco und danach die Westküste der USA und Mexiko nach Panama segeln. Danach durch die Karibik und zurück nach St. Martin. Hörte sich nach einem guten Plan an und so kam es dann auch, mehr oder weniger. Diese Story könnte ein weiteres Buch füllen, auch diesmal nur die Kurzfassung:
Ende Juli flogen wir von Mallorca nach Deutschland, ein paar Tage später nach Hawaii, um dort auf der Gypsy Blues anzuheuern. Die ersten zwei Wochen segelten wir von Insel zu Insel, um das Boot und die Crew einzusegeln. Dabei stellten wir schon fest, dass das Boot nicht in einem so guten Zustand war, wie es uns beschrieben wurde. Ein paar Jahre Segeln im Pazifik und ein Jahr Lagerung in Hawaii hatten ihre Spuren in der Ausrüstung und Technik hinterlassen. Also musste einiges repariert werden - normal.
Die Überfahrt nach San Francisco war lang, 24 Tage, über 3000 Meilen in meist leichten, teilweise etwas unangenehmen Bedingungen. Ich hatte es schwer, in den Rhythmus zu kommen - die Enttäuschung, Erschöpfung und das Auf und Ab der Zeit auf Mallorca nagte noch an mir, und ich fühlte mich nicht wohl, wurde tagelang seekrank. Dazu kam, dass Cheryl und René einen ziemlich anderen Stil der Reise auf See pflegen. Es ist schwer, in wenige Worte zu fassen, aber ich hatte das Gefühl, nicht so richtig auf das Boot zu passen.
Ich hatte mehrfach den Gedanken, in San Francisco auszusteigen, und von dort aus mit irgendeinem anderen Fortbewegungsmittel nach St. Martin zu kommen. Das wäre auch völlig ok gewesen. Wir hatten mit den beiden von der Gypsy Blues ausgemacht, dass wir auf jeden Fall bis Frisco mitkommen würden, und dort entscheiden, wie es weitergeht, je nachdem, wie wir miteinander klarkommen. Ein Knackpunkt war aber, dass René von dort aus nach St. Martin fliegen musste, um seinen neuen Job anzutreten, und wir dann mit Cheryl weiter nach Süden/Osten segeln sollten. Wären wir auch in San Francisco ausgestiegen, dann hätten die beiden ein Problem gehabt, denn Cheryl hätte das Boot nicht alleine bewegen können. Also machten wir weiter und segelten/motorten zu dritt weiter entlang der Westküste.
Wie es so kommt, und wie man sich ja auch denken kann, ist so ein Aufenthalt auf einem kleinen Boot mit drei Leuten auf längere Zeit nicht ohne Komplikationen. Astrid und ich fuhren Hand gegen Koje mit. Cheryl war Eigner, Astrid war Crew und ich war nun der Skipper. Das gab reichlich Material für Diskussionen, Konflikte und Streit. Zum Beispiel mussten wir darum diskutieren, ob und wieviele Flaschen Cola gekauft wurden. Astrid und ich trinken gerne eine Cola in der Nachtwache, Cheryl nicht. Auch andere Proviantelemente wurden diskutiert, wenn sie nicht auf Cheryls Plan standen. Man sollte meinen, wenn man Freunde mitnimmt, die einem helfen, sein Boot von A nach B zu bringen, wenn man es alleine nicht kann, dann würde man ihnen das zu Essen und Trinken geben, was sie mögen - im vernünftigen Rahmen natürlich. Sollte man meinen…
Der Trip nach Panama war segeltechnisch nicht einfach, weil es über weite Strecken wenig oder keinen Wind gab, wir auf der anderen Seite am Ende der Hurrikansaison unterwegs waren und weil wir manche Küstenabschnitte passierten, die für ihren plötzlich auftretenden Starkwind berüchtigt sind. Hinzu kamen immer wieder Reparaturen und Wartungsarbeiten, denn wir mussten über weite Strecken motoren. Wir kamen im Verlauf der Reise immer mehr in unter Zeitdruck, denn Astrid und ich hatten uns bis maximal Mitte Dezember vorgenommen, um zurück in St. Martin zu sein.
Insgesamt arbeiteten wir ganz ordentlich zusammen, denn schliesslich kamen wir ja in Panama an. Jedoch nahm die Spannung zwischen Cheryl und mir immer mehr zu, mit Astrid dazwischen, die versuchte, auszugleichen. Eine Erleichterung kam, als Cheryls Bruder Steve in Acapulco zu uns an Bord kam. Das verbesserte das Gleichgewicht in der Crew erheblich. Es half Cheryl, die vorher ja “alleine gegen zwei” war und unterstützte mich, denn er akzeptierte mich anstandslos als Skipper.
Für Nichtsegler mag dies etwas akademisch erscheinen, aber letztendlich ist diese Rollenverteilung wichtig für die Sicherheit von Crew und Boot. Man kann alles diskutieren und in Frage stellen, aber nicht zu jedem Zeitpunkt. Und es ist ermüdend, wenn man immer alles erklären muss und das Gefühl hat, man würde ständig in Frage gestellt. Cheryls Problem war wohl hauptsächlich, dass sie zuvor ausser mit ihrem Mann mit niemand anderem gesegelt war, vor allem nicht über so eine lange Zeit. Astrid und ich haben halt in manchen Dingen einen anderen Stil oder eine andere Vorgehensweise.
Auf jeden Fall können wir sagen, dass wir das Boot sicher und heil nach Panama gebracht haben, was immer das wichtigste Ziel beim Segeln sein sollte. Das andere Ziel, in der vorgegebenen Zeit nach St. Martin zu kommen, haben wir nicht erreicht, jedenfalls nicht mit Gypsy Blues. Es wurde Anfang Dezember, bis wir durch den Panamakanal auf die Karibikseite kamen. 4 1/2 Monate unterwegs und 7000 Seemeilen waren genug und Astrid und ich wollten endlich wieder zurück zu unserem Boot, zu unseren Freunden und ein schönes Weihnachten feiern. Steve musste auch nach Hause nach Nova Scotia. So liessen wir Cheryl auf ihrem Boot zurück, und flogen nach St. Martin.
Cheryl blieb jedoch nur für ein paar Tage alleine, denn René hatte sich freigenommen, um die letzte Etappe mit seiner Frau nach St. Martin zu segeln. 1000 Seemeilen Luftlinie gegen den Wind, schon unter normalen Bedingungen keine einfache Strecke, schon gar nicht im Dezember und Januar, wenn in den meisten Jahren die “Christmas Trades” mit 20 - 25 Knoten aus Osten wehen. Die beiden hatten aber Glück, denn im Januar hatten sie ungewöhnlich wenig Wind und so kamen sie dann Ende Januar in St. Martin an.
Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon wieder am Arbeiten, Astrid im Tauchshop, ich bei Custom Fit Marine.
Zeit, wieder etwas gutzumachen, denn der Ausflug nach Mallorca hatte mehr gekostet als eingebracht und der Trip von Hawaii nach Panama hat uns zwar Erfahrung und Erlebnisse gebracht, aber den Preis einiger Flugtickets gekostet. Aber gelernt haben wir wieder eine Menge. Immerhin. (B)